Nach meiner einjährigen Ironman-Abstinenz war es 2007 also wieder soweit. Ich konnte dem Ironman-Virus nicht mehr widerstehen und meldete mich kurz nach dem IM 2006 via Internet für diese nette Sportveranstaltung an. Meine Motivation, diesen zweiten Ironman in meiner Sportkarriere zu absolvieren, war durch zwei Faktoren begründet:
- Erstens hatten sich Albert (ein Arbeitskollege) und Andi R. (ein Freund) bereits angemeldet und ich dachte mir, es wäre vielleicht ganz nett, an einem Juli-Sonntag gemeinsam mit ihnen ein bißchen Sport zu machen.
- Zweitens juckte es mich, das einzigartige Feeling des Zieleinlaufes beim Ironman Austria nochmals zu erleben.
Meine Mitmenschen reagierten auf meine Ankündigung der erneuten Teilnahme mit unterschiedlichen Meinungen. Aber wenn man während der IM-Vorbereitung 8 Monate neben einem 40-50 Stunden Job zwischen 12 und 20 Stunden mit Trainieren verbringt, ist das vielleicht verständlich. Meine ursprüngliche Intention bei dieser erneuten Teilnahme war, diesen sportlichen Sonntag am 8. Juli 2007 zu genießen und nach keiner neuen persönlichen Bestzeit hinterher zu hetzen. Deshalb kramte ich den alten IM-Trainingsplan aus, den mir Peter für meinen ersten IM zwei Jahre zuvor erstellt hatte. Da dieser Plan zum gewünschten Ergebnis geführt hatte (Finish in 11h:23Min), beschloß ich, den selben Plan mit geringfügigen Änderungen nochmals zu verwenden. Die Planänderungen bestanden darin, daß ich die Ruhetage durch Trainingstage ersetzte.
Wie schon beim Training für meinen ersten Ironman, gestalteten sich die Wintermonate motivationstechnisch nicht gerade leicht. Vor allem das Laufen in finsteren und kalten Nächten nach der Arbeit war nicht immer leicht durchzuziehen. Doch grundsätzlich galt für mich die Devise alle Trainingseinheiten laut Plan zu erfüllen. Dies gelang mir auch wieder, da ich anscheinend masochistisch verlangt bin. In den 8 Trainingsmonaten ließ ich lediglich 6 bis 8 Trainingseinheiten aus. Positiv wirkte sich in diesem Jahr der sehr milde Winter aus. Ich konnte schon im März mein Rad rausholen und bei angenehmen Temperaturen wichtige Grundlagenkilometer absolvieren. Bei der Organisation meines Schwimmtrainings hatte sich auch eine positive Veränderung gegenüber dem Erstantritt ergeben: Ich machte nun von der Möglichkeit des Frühschwimmens (ab ca. 6:30 möglich) Gebrauch. Diese Option wählten auch Peter und Wolfgang für Ihr Schwimmtraining und so ergaben sich regelmäßig frühmorgentliche Treffen im Hallenbad. In den Monaten April, Mai und Juni war die Trainingswoche durch ca. 2 bis 3 Schwimmeinheiten, 3 Laufeinheiten und 3 Radeinheiten geprägt wobei die längeren Radausfahrten immer am Samstag oder Sonntag stattfanden (eh klar, da ich unter der Woche arbeiten mußte). Im Mai und Juni wurden die langen Radeinheiten am Wochenende schon manchmal langweilig, da ich erstens alleine mit dem Rad durch die Gegend fuhr und zweitens schon alle Strecken X mal abgefahren war. Deshalb kamen mir auch die Vorbereitungswettkämpfe (Viennaman – Half Ironman und Olympische Distanz Neufeld) ganz recht. Diese liefen für mich ganz gut. Ich war bei beiden Bewerben jeweils deutlich schneller als im Vorjahr bzw. vor zwei Jahren und es verließ alles nach Plan. Wie nach einem Plan begann leider auch ab Mitte Juni wieder mein rechtes Knie zu schmerzen. Laut Arzt war daran ein ausgefranstes Seitenband schuld. Ich versuchte dieses Problem unter keinen Umständen größer werden zu lassen und reduzierte mein Lauftraining auf nahezu null – ich ersetzte es durch Radeinheiten. Des weiteren begann ich das Knie durch Cool-Packs zu kühlen was jedoch nicht den gewünschten Erfolg brachte. Also schnappte ich mir meine Laufschuhe und fuhr zu Toni’s Laufshop. Dort nervte ich den Verkäufer, er möge mich doch mit meinen Laufschuhen auf dem Laufband laufen lassen und dabei entsprechend ein Video von der Abrollbewegung drehen. Und tatsächlich, das tat er auch. Wir fanden heraus, daß der rechte Fuß aufgrund des mittelmäßig abgenutzten Schuhs (ca. 800 Laufkilometer) eine Fehlstellung von 2 bis 3 Grad hatte. Dies genügte anscheinend, um in meinem Knie die Schmerzen zu verursachen. Daher war für mich die Entscheidung klar: Ich kaufte neue Laufschuhe (das Nachfolgemodell meines aktuellen Schuhs). Durch das Zusammenspiel des stark verringerten Lauftrainings und der neuen Schuhe konnte ich das Knieproblem eindämmen. Trotzdem konnte ich nicht einschätzen, ob mein Knie den 42 Kilometern beim Ironman gewachsen war.
Schließlich war es dann soweit. Die Taperingphase begann. Das bedeutete mehr oder weniger geplante Faulheit und weniger Trainingsumfang. Dadurch stieg auch ein bißchen die Nervosität in mir. Am Donnerstag vor dem großen Wettkampftag fuhr ich mit vollgepackten Auto nach Moosburg wo wir (Andi Bolzer, Andreas Roth) ein Zimmer in einer Frühstückpension reserviert hatten. Ich kannte die Pensionsbesitzer bereits von einigen Aufenthalten im Vorfeld. Als ich in Klagenfurt ankam, ging ich zunächst zur Registrierung für den Wettkampf. Dort traf ich Katharina (eine Arbeitskollegin), die diesmal zum ersten Mal bei einem Ironman am Start stand. Da wir beide keine großen Pläne für den Donnerstag Abend hatten, beschloßen wir, in der Pizzeria, die ich bereits kannte, Nudeln zu schlemmen. Nachdem ich von der ausgiebigen Kohlehydratzufuhr zu meinem Quartier zurückgekehrt war, begann ich meine beiden Plastiksäcke für die Wechselzone höchst-künstlerisch zu bemalen. Der Sinn dieser Übung bestand darin, die Plastiksäcke optisch so zu gestalten, daß sie sich optisch stark von denen der anderen Teilnehmer unterschieden. So konnte ich ziemlich sicher gehen, daß ich meine Säcke im Wettkampfstress unter den übrigen 2299 Säcken möglichst rasch fand. Am Freitag frühstückte ich gemütlich und schwang mich danach auf mein Rad um 2 Stunden auf der IM-Radstrecke locker zu „rollen“. Danach schüttelte ich meine Beine noch bei einem sehr relaxtem 20 minütigem Lauf aus. Am Nachmittag trudelten nach und nach Freunde (=Support Team) und Mitstreiter ein, bis wir am Abend wieder in der bereits mehrfach „getesteten“ Pizzeria endeten und Nudeln aßen.
Der Samstag war mit einigen Fix-Terminen vollgepackt – daher war der Tag etwas stressiger als ich mir das gewünscht hätte. Nach dem Frühstück in unserer Unterkunft machten wir uns auf den Weg zur Wettkampfbesprechung. Diese fand im großen Irondome-Zelt statt. Ausführlich wurden vom Rennleiter alle Triathlon-Tabus aufgezählt und die Strecke erklärt. Anschließend warf ich mich in die Fluten des Wörthersees um meine letzten 1,5 Kilometer vor dem Tag X zu „plantschen“. Auch meinen Beinen gönnte ich noch etwas Bewegung in Form eines 20 minütigen entspannten Laufes. Darauf folgte das Einchecken des Fahrrades und der Wechselsäcke in der Wechselzone. Ausführlich studierte ich die Position, an denen meine Wechselsäcke auf dem großem Metallgerüst plaziert waren. Schließlich sollte ich diese ja unter extremer geistiger Abwesenheit und Ermüdung auch finden. Nachdem wir am Abend wieder in unserer Standard-Pizzeria das „Carbon Loading“ hinter uns gebracht hatten, hieß es für mich (und Andi B.) ab 20h:30 Bettruhe. Natürlich gingen mir viele (Großteils auch unnötige ) Gedanken durch den Kopf und ich konnte erst nach einiger Zeit einschlafen.
Der Morgen des Tag X war quasi auf die Minute genau geplant. Um 4h:15 läutete der Weckton des Mobiltelefons und Andi B. und ich erhoben uns aus den Federn. Zum Frühstück gabs für mich zwei Scheiben Weißbrot mit Butter, etwas Marmelade, eine Scheibe Käse und eine Banane. Dieses „Frühstücksmenü“ hatte mir bei meinem Erstantritt 2005 schon zu einem guten Wettkampf verholfen. Nach den letzten kleinen Vorbereitungsarbeiten verließen wir um 5h:00 per Auto das Quartier. Nach Ankunft bei der Wechselzone begann der letzte Materialcheck und das Aufpumpen der Reifen. Die frühmorgendliche Stimmung in der Wechselzone war friedlich, leise und entspannt. Aus den Lautsprechern drangen mit angenehmer, nicht zu lauter Lautstärke, beruhigende Tunes. Danach begab ich mich ins Strandbad Klagenfurt wo schon mein eigens angereistes Support-Team (Vielen Dank an dieser Stelle!!!) wartete. Auch meine Eltern waren, wie schon zwei Jahre zuvor, wieder dabei. Nach kurzem Aufwärmen und dem Anlegen des Neos wurde die Zeit bis zum Start immer knapper. Meine Aufregung und mein Puls stiegen, obwohl ich das ganze bereits zwei Jahre zuvor schon einmal mitgemacht hatte. Wahrscheinlich war der Grund für meine konstant steigende Anspannung darin zu suchen, daß nun in wenigen Minuten das sportliche Ereignis losging, auf das ich mich Monate vorbereitet hatte. Nachdem ich mir im Startbereich am Strand des Wörthersees einen Startplatz gesucht hatte, legte ich Badehaube und Schwimmbrillen an.
Nach kurzem Warten ließen die Renn-Marshalls die Athleten ins Wasser um den geplanten Wasserstart durchführen zu können. Da ich von der zweiten Reihe aus gestartet war, hatte ich eine relativ gute Position unter den 2300 Schwimmern. Plötzlich hörte ich einen lauten Knall. Das war schon der Startschuß. Anfangs war ich, wie auch die 2299 anderen Schwimmer, etwas verwirrt, denn jeder hatte damit gerechnet, daß zunächst alle Athleten bis zu einer eigens eingerichteten Waseerstartlinie aufrückten und dann der Startschuß erfolgte. Doch oft kommt es anders als man denkt. Also schwamm ich, ohne stark von anderen Schwimmern behindert zu werden auf die erste Wendeboje in ca. 1,5 Kilometer Entfernung zu. Das Wasser des Sees hatte eine angenehme Temperatur und war sehr sauber. Auch bei der 90 Grad Wende an der Boje bekam ich erstaunlicherweise diesmal keine Schläge ab und konnte problemlos weiterschwimmen. Nach ca. 500 Meter absolvierte ich die zweite 90 Grad Boje und schwamm auf den Lendkanal zu. Nun schien mir die Morgensonne jedesmal beim Geradeaus-Schauen genau in die Augen. Da gab es für mich nur eine Lösung: einfach den anderen sportlichen Personen vor mir nachschwimmen. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, daß ich vergessen hatte, meine persönliche Zeitnehmung zu starten. Ich hatte daher keinen blassen Schimmer, ob ich gut oder schlecht in meinem Schwimm-Split lag. Beim Hineinschwimmen in den Lendkanal spürte ich eine Art Sogwirkung. Durch die hohe Schwimmeranzahl im relativ schmalen Kanal entwickelte sich eine Art leichte Strömung, die in Schwimmrichtung wirkte. Meinem Gefühl nach zu schließen, hatte ich ein mittleres Schwimmtempo drauf und mein Puls bliebt in dem Bereich wo er hingehörte. Jedesmal beim Auftauchen und Einatmen hörte ich den lauten und motivierenden Applaus und die Zurufe von einer großen Menschenmenge entlang des Kanals. Das beflügelte mich dazu, die letzten 300m nochmals Gas zu geben. Beim Schwimmausstieg erkundigte ich mich neugierig bei meinem Vordermann nach der Zeit. Als er 1h:05 sagte war ich sehr entzückt! Beim ersten Wechsel trödelte ich ein bißchen und verließ die T1 in 4:06. Auf den ersten Radkilometern aß ich zunächst wie zwei Jahre zuvor wieder eine Banane. Bis Kilometer 25 war ich für meine Verhältnisse recht flott unterwegs mit ca. 37km/h Schnitt. Ich hatte mich von den guten Radfahrern, mit denen ich aus dem Wasser gekommen war, zum Glühen verleiten lassen. Nach Ende der ersten 25km spürte ich ein Kribbeln und leichtes Brennen in meinen Oberschenkeln. Das war für mich das Zeichen, langsamer zu treten. Ab nun fuhr ich gleichmäßiger und achtete auf mein Tempo. Sowohl der Anstieg Faaker See als auch der Rupertberg liefen wie geschmiert. Regelmäßig gönnte ich mir eine viertel Banane, ein Iso oder einen Riegel. Am Beginn der zweiten Runde freute ich mich schon wieder auf die Anstiege der noch vor mir liegenden Strecke. Ich fand die Bergauffahrten motivierend, da ich dabei regelmäßig andere Mitstreiter überholen konnte. Auf den letzten 30 Radkilometern hatte ich ehrlich gesagt schon genug vom Radfahren und freut mich schon aufs Laufen. Mit einer Radzeit von 5h:28Min kam ich in die T2 und legte einen gewohnt raschen zweiten Wechsel hin. Jetzt hieß es eigentlich nur noch ins Ziel zu laufen. Daß dieses Laufen allerdings 42 Kilometer betrug, vernachlässigte ich gerne. Die ersten 10 Kilometer lief ich mit einem 5er Schnitt. Ich fühlte mich gut und mein angeschlagenes Knie zeigte keine Anzeichen von Problemen. Während des Laufens wagte ich diesmal ein Experiment. Ich aß ausschließlich Powerbar-Gels und trank Iso. Das funktioniert überraschend gut. Die Gels halfen mir auch über einen kleinen Einbruch bei Kilometer 25 hinweg. Ab nun lief ich nur mehr einen 6er Schnitt. Einer meiner Hauptgedanken während des ganzen Laufes war die Frage, ob ich unter 11 Stunden finishen würde. Da meine Uhr mir das leider nicht verriet (ich hatte ja vergessen, sie am Beginn zu starten), war ich ein bißchen ohne Plan. Doch Gott sei Dank war da Wolfgang. Er hatte von Peter (der in Wien saß) per Telefon meine Laufzeiten bekommen und rechnete für mich die Kilometerzeit (inkl. Pufferzeit) aus, die ich laufen mußte. Da ich ein gehorsamer Mensch bin, hielt ich mich an diese Zeiten. Die letzten 10 Laufkilometer überlegte ich nur mehr, welche Posen ich beim Zieleinlauf machen würde. Ich wollte den Zieleinlauf diesmal wieder voll auskosten. Auf den letzten 2 Kilometern erhöhte ich nochmals mein Tempo. Als ich auf die letzten 500 Meter kam, hörte ich den Platzsprecher meinen Zieleinlauf ansagen. Wolfgang hatte dem Platzsprecher „nahegelegt“ mich unbedingt zu erwähnen. Auf den letzen 200 Metern vor dem Ziel zeigte ich dem Publikum alle meine Posen, die ich mir vorgenommen hatte. Das Gefühl beim Zieleinlauf war wieder unbeschreiblich. Ich war total happy und kam mit einer Gesamtzeit von 10h:39Min ins Ziel. Dort empfingen mich Andreas und Renate.
Ich genoß den Augenblick und freute mich riesig über meine Zeit. Ich strahlte über das gesamte Gesicht. Nach einer kurzen Verschnaufpause gabs einen Photo- und Gratulationstermin mit meinem Support-Team. Danach visierte ich das IronDome-Zelt an, holte meine Urkunde und mein Finisher T-Shirt, und nachdem auch Andi Bolzer gekommen war, plazierten wir uns in einem der Whirlpools. Dort relaxten wir und plauschten mit anderen Finishern. Vor lauter Begeisterung und geistiger Abwesenheit vergaß ich beim Verlassen des IronDoms meine Laufschuhe, mein Startnummerband samt Startnummer und mein Skinfit-Shirt. Diese Dinge sollte ich nie wieder sehen. Aber was solls, das war ein Kollateralschaden und kann bei so einem Ergebnis vernachlässigt werden.
Nach der Verabschiedung von Andi Bolzer und Christian Prinz, die Richtung Wien aufbrachen, machten wir uns auf den Weg zum Abendessen. Ich orderte ein Backhenderl mit Pommes und Salat, doch zu meinem Erstaunen, hatte ich Mühe, das Ganze zu verdrücken. Die Gels hatten meinen Magen anscheinend gut gefüllt. Gegen 23:00h kehrten wir in den Zielbereich des IM zurück wo eine unglaubliche Stimmung herrschte. Jeder Finisher, der nun ins Ziel kam, wurde mit einem tobenden Applaus und Geschrei empfangen. Auch die Pro’s waren wieder zurückgekehrt und feierten mit. Die Party war am kochen!
Am darauffolgenden Morgen wurde noch einmal in unserer Pension gemütlich gefrühstückt bevor es zurück nach Wien ging.Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der IM 2007 für mich meine Erwartung um ein Vielfaches übertraf. Für mich war es ein nahezu perfektes Rennen und eine geniale Gesamtzeit. Besonders gefreut hat mich, daß wieder viele meiner Freunde und meine Eltern dabei waren. Dieses Ereignis werde ich nicht vergessen und noch lange daran zehren.
Aloha
IronChris