Die Kälteschlacht von Roth


Am dunklen Himmel über dem Main-Donau-Kanal braut sich ein fürchterliches Unwetter zusammen. Der kühle Gegenwind peitscht mir den kalten Regen ins Gesicht. Jetzt nur nicht stehenbleiben, denke ich, sonst ist mir die Lungenentzündung gewiss. Etwa zur selben Zeit sollten weiter südlich an der Zugspitze zwei Athleten gar ihr Leben lassen - im Wettkampf gestorben, an Erschöpfung und Unterkühlung. Vorerst fragte ich mich aber, wie ich bloß in diese Situation kommen konnte.

Rückblende: Nach dem legendären Ironman Kärnten 2007 suchten die Drakes neue Herausforderungen und Ziele. Seit langem schon fiel immer wieder die Rede auf Roth, diese Geburtsstätte des IRONMAN-Mythos in Europa, die größte Langdistanz der Welt, die beste Stimmung bei einem Triathlon und nicht zuletzt: Die schnellste Strecke weltweit mit regelmäßigen Siegerzeiten unter 8 Stunden. Grund genug für Andi B, Chris P, Wolf G und den Snick Man, sich dort sicherheitshalber mal anzumelden.

Die langen Grundlageneinheiten im Winter ersetzte ich heuer durch eine Eishockey-Saison am USI, das Schwimmtraining durch Klettern in der Halle und die faden Rennradeinheiten durch Action am Mountainbike. Letzteres führte leider zu meinem Daumenbruch, der blöderweise so spät passierte, dass ich mich von Roth nicht mehr abmelden konnte. Also blieb mir nur eines: Training mit Gips. Geht alles. =O)

So ging es am Donnerstag mit gemietetem SIXT LKW hinauf ins Frankenland. Auf der Ladefläche mein Cervelo-Baby und das Canyon von Wolf, der zur gleichen Zeit wohl gerade seinen Vortrag über Halbleiter in Singapur hielt. Ich hatte gerade mal 4 Wochen Training und 3 Wochen Tapering hinter mir. Dazu den 5.0 km Swim von Tulln, von dessen Muskelkater ich mich nach 10 Tagen auch langsam erholte... =O)

In Roth campiert fast jeder. Hat auch wirklich Vorteile. Ich hab bestimmt an 10 verschiedenen Standorten geschlafen - von Heuberg über Hilpoltstein und Roth bis Nürnberg. Man ist total flexibel und hat stets seine gesamte Ausrüstung bei all den Terminen dabei: Am Freitag Registrierung und Pasta Party, am Samstag Wolf aus Nürnberg abholen, dann Bike-Checkin und Wettkampfbesprechung. Im Gegensatz zu Kärnten war in Roth schwimmen mit cep-Stutzen heuer leider untersagt.

Bei Regen checkten wir unsere Räder ein. Gute Sache, dass wir mit unserem LKW bis wenige Meter zur Wechselzone ranfahren konnten, um unter der Brücke in Ruhe die Räder fertig zu bekleben. Wolf übte noch schnell das Schlauchwechseln, wofür er dank verbogener Gabelausfallenden einen Hammer braucht. Die Leute haben nicht schlecht geschaut. =O) Mein Cervelo lasse ich bekanntlich ungern aus den Augen, vorallem nicht im Freien und bei strömendem Regen. Nur ein Mal pro Jahr mache ich da eine Ausnahme...

Am Sonntag Morgen hätten wir keinen Wecker gebraucht, da uns der heftige Regen auf dem LKW-Dach schon vor 0400 weckte. Noch ein Honig-Toast, ein paar Riegel und raus in den Gatsch. Die Stimmung in der Wechselzone vor dem Start ist schon legendär, wenn sie den Independence-Day-Soundtrack spielen, die Kirchturmglocken läuten und die Profis sich ins Wasser begeben, als würden sie in den Krieg ziehen. Gänsehaut-Feeling garantiert. Fast verpasste ich meinen eigenen Start um 0705, Andi und Christian hatten noch Zeit bis 0725, Wolf gar bis 0735.

Das Schwimmen im Kanal war aber echt angenehm. Wenig Gerangel, kein Verschimmen, keine Strömung, wenig Bojen. Ich fühlte mich sehr stark im Wasser und die Uhr zeigte noch 1h08, als ich die Brille hochklappte. In der T1 zog ich mich praktisch während des laufens um, das spart eine Menge Zeit.

Am Rad bin ich echt halb erfroren. Das patschnasse Irondrake-Top klebte kalt auf meiner Brust - bei Regen, 10 C und Fahrtwind. Ui fein. Vor lauter Zittern fuhr ich auf den Abfahrten oft Schlangenlinien. Die Zähne klapperten und die Lippen waren wohl schon ganz blau. Das sollte sich auf den 180 km auch nicht mehr ändern. Ich war echt froh, als ich nach Roth einrollte und das Rad abgeben durfte. Mit 5h18 habe ich zwar keinen Rekord aufgestellt, mit meinem Durchschnittspuls von 136 aber schon. So locker war ich sonst nur 2002 gefahren. Damals hatte ich jedoch noch 7h45 gebraucht... =O)

In der T2 hatte ich mir die Salztabletten fürs Laufen auf das Visor geklebt hatte, um sie nicht im Sackerl suchen zu müssen. Auf den ersten km geht es in Roth ziemlich stark bergab, sodass ich sofort Krämpfe in beiden Oberschenkeln hatte. Trotz der lockeren Radfahrt konnte ich einfach kein Tempo beim Laufen aufnehmen. Der Puls ging nie über 143, es ging irgendwie einfach nix weiter.

Mittlerweile sehe ich den Grund für mein Dahinschleppen in der zu kurzen Vorbereitung. Bei der oberen Wende kam mir schon Andi leichten Schrittes entgegen und es dauerte nicht mehr lang, bis er mich endgültig eingeholt hatte. Vorallem die untere Wende mit der endlos langen Steigung zum Teufelsknopf hinauf war der Horror für mich. Mit Laufen war da nichts mehr. Ich plagte mich schon mit dem Gehen... Bergab zurück lief ich dann wieder, aber lustig war das nicht. Hab schon lang nicht mehr so gebissen.

Auf der letzten Gerade die Lände rauf erwischte mich dann noch mal der kalte Regen. Der Bauch rumorte unter dem naß-kalten Leiberl, die Knie streikten und die Fußsohlen brannten. Das war meine letzte Langdistanz, schwor ich mir an dieser Stelle. Sicher. Nie wieder. Irgendwie schaffte ich es ins Ziel und war erstaunt, als die Uhr erst 10h54 zeigte. Wenigstens das. Ich wollte natürlich sofort eine Wärmedecke, musste mir aber vom Sanitäter anhören, dass die Decken schon ziemlich am Ende seien, worauf ich erwiderte, das träfe sich gut, da ich auch schon ziemlich am Ende sei... Er rückte aber keine raus und schickte mich stattdessen unter die Dusche.

Bald fand ich Andi im Finisher-Zelt, der mir stolz seine 10h10-Urkunde präsentierte. Hut ab Andi, das ist eine Weltklasse-Zeit und das hast du dir bei deinem Training echt verdient! Auch Chris P stellte mit 11h49 an diesem Tag einen persönlichen Rekord auf und Wolf verbesserte seine 2007er Zeit gar um über 2 Stunden auf 13h06. Gratulation! Am Abend ging es mit dem Shuttlebus zurück nach Hilpoltstein für eine erholsame Nacht in unserem IVECO Truck.

Diesmal findet ihr einfach alle Photos unter
http://picasaweb.google.com/csmarits22/QuelleChallengeROTH2008

Euer
Snick

3 Kommentare:

Pete hat gesagt…

Hi Snick!

Gratuliere dir zu der Leistung. Hört sich alles nach klassischen Erfrierungen an, hier allerdings mit Happy End. Erinnert mich an Kilometer 12 bei Attersee-Ein-Längen-Schwimmen - dort waren allerdings fast gar keine Luftmoleküle im H2O versteckt; zusätzlich konnte ich nicht aus dem 17-grädigen Wasser flüchten. Es wundert mich daher überhaupt nicht, dass du beim Laufen viel langsamer als erwartet warst, weil du soviel Wärme (=Kalorien) verloren hast. Der niedrige Puls und der Fast-Ausfall der Verdauung zeigen das auch deutlichst. In solchen Fällen hilft nix anderes als sich warm, allenfalls pluderig mit Gorezeugs + Helmhaube anzuziehen und - in deinem Fall - auf den einen oder anderen bewundernden Blick von blonden Tria-Groupies auf deinen Zebra-Look zu verzichten :=O)

Bestgruß
pete

Snick hat gesagt…

peter,

vielen dank für deine analyse. vielleicht können wir das morgen beim irondrakes extreme grilling II noch mal vertiefen.

lg
snick

Anonym hat gesagt…

Wolfgang hat gesagt...

Hi Jo,
das war wieder super amüsant deinen Bericht zu lesen. Birgit und ich haben uns schief gelacht. Wirklich alle Achtung, was du da in deinem Ruhejahr so zustandegebracht hast. Wir wollen morgen beim Extrem Grilling deine Frostbeulen begutachten ;-)

Liebe Grüße
Birgit & Wolfgang