Sechs Minuten


viel wurde schon über traumgrenzen im sport geschrieben und jeder hat seine eigene einstellung dazu. mich motivieren sie ganz besonders. was wäre ein marathon ohne die lockende 3h grenze? ein ironman ohne die magische 10h grenze? jeder athlet hat seine eigenen traumgrenzen, die zu unterbieten ihm alles abverlangt und die er gerade deswegen umso mehr schätzt.

nach meinem sub5h ritt durch die lava-wüsten von podersdorf fasste ich bei simplon in vorarlberg das logische nächste ziel ins auge: endlich schnell kraulen lernen. nach 8 jahren triathlon. =O) als motivierendes ziel setzte ich mir die 6min Marke für 400m und mir war klar, das würde nicht ohne druck von außen gehen. ein trainingsplan musste her. und ein trainer. aber nicht irgendein trainer, sondern der beste von wien bis passau und ganz burgenland. ein mann, den sie den fisch nannten: peter "berndlbad" beigl. =O)

woche 1
ich finde mich zwar am beckenrand wieder, habe aber vergessen, den plan auszudrucken. ich verliere bei jeder wende meine hose und das wasser, das ich nicht schlucke, habe ich scheinbar in der brille. in simmering schimpfen mich die kugelrunden wasserleichen: "oje, a wüda!". warum in aller welt würde jemand freiwillig diesen sport ausüben?
ich schaffe etwa 15m beine mit brett, dann muss ich aber keuchend abbrechen. am wochenende der erste 400m test. mein co-trainer ironchris hetzt mich davor am mtb durch den wienerwald. 6min55 ist der erste benchmark. danach geht mir die geliebte polar uhr ein. mein equipment kann das wasser scheinbar genau so leiden wie ich.

woche 2
ich habe es geschafft, den trainingsplan auszudrucken, mit anhang um die 100 seiten. am pool komme ich drauf, dass ich all die abkürzungen gar nicht verstehe. ich verliere die zweite hose bei jeder wende, schwimme zick-zack durch die 40 leute im pool und schlucke wieder hektoliterweise chlorwasser. will am liebsten alles hinschmeißen. bin ich am ende einfach nicht fürs schwimmen gemacht? ich verliere die dritte hose bei jeder wende und die zweite uhr geht mir ein. was zum teufel! #*X!!?'**!!

nochmal woche 1
ich verbringe ein wochenende in sachsen. endlich erstehe ich eine schwimmhose, die auch an ihrem platz bleibt, sowie eine dichte brille. im zwickauer johannesbad (!) bringe ich in einem hellen moment erstmals so etwas wie eine rollwende zusammen. ich fasse neuen mut und entschließe mich, mit dem plan noch mal zu beginnen.
ironchris überredet mich jetzt immer häufiger zum frühschwimmen im berndlbad und ich schaffe meine erste ganze länge beine mit brett. bei den technik-übungen erkenne ich, wie wichtig der ausgestreckte arm für die wasserlage ist und langsam gewöhne ich mich an die eigenheiten des schwimmsports. wolf stoppt meinen 400er test in schwechat, 6min25 ist ein großer schritt nach vorne.

nochmal woche 2
die kaiman-brille ist für den triathlon perfekt, doch beim gleiten nach dem abstoßen sind die rundumsicht-gläser irgendwie den oberarmen im weg und es kommt wasser hinein. eine schwedenbrille muss also her. im internet bestellt um 2eur50, die ist auch noch nach einem köpfler vom 10m brett dicht. perfekt. in schwechat sperren sie jetzt eine bahn für sportschwimmer, dafür darf ich außerhalb der trainingszeiten nicht mit paddles schwimmen. ich kann kein training zu 100% durchziehen, das ist mir einfach alles viel zu viel.

woche 3
mir tun beide schultern weh. beim strecken über den kopf spüre ich einen dumpfen, entzundenen schmerz. recherche im internet gibt auskunft über die "schwimmerschulter". eine muskuläre dysbalance. na das war ja klar. wenn es irgendeine typische verletzung in einer sportart gibt, dann bin ich mit meinen tonischen muskeln der erste, den es erwischt. ich schwimme weiter, vorallem rechts werden die schmerzen aber immer stärker.

woche 4
ich mache unterwasser-videos mit wolf in schwechat und arbeite mit viel krafttraining an der körperspannung. die schulterschmerzen lassen auch nach 2-3 ruhetagen nicht nach. nennt sich scheinbar "impingement-syndrom", dabei sind die außenrotatoren in der schulter zu schwach. ich beginne mit theraband-übungen dieses problem zu beheben. nach sprints ist die schulter aber komplett steif, so hat ein weiteres training sicher keinen sinn mehr.

schulter-wochen 1, 2 und 3
ich akzeptiere die schulterschmerzen als klares zeichen meines körpers, was als nächstes zu tun ist und verspreche ihm, erst wieder zu schwimmen, wenn ich die muskeln in der schulter ins gleichgewicht gebracht habe. nach ein paar tausend liegestütz seit dem bundesheer ist es kein wunder, dass die brust stärker als ihre antagonisten ist. positiv gesehen liegt hier jedoch ein großes potential, da ich nur mehr die gegenseite kräftigen muss, um dann endlich gesund und kraftvoll schwimmen zu können. so mache ich jeden tag 3 bis 4 mal die theraband-übungen bis zur völligen erschöpfung. die adrenalin-ausschüttung bei den letzten wiederholungen im krafttraining hat mir schon immer gefallen. 3 wochen ohne schwimmen, wird das gut gehen?

nochmal woche 4
klar, das wassergefühl ist weg und ich torkle die bahn entlang als ob ich noch nie im pool gewesen wäre. dafür sind die schultern 100%ig in ordnung und stark. auch die wasserlage konnte ich mit viel rumpfkraft verbessern. der trainingsplan in einer klarsichthülle haftet von alleine am startsockel und bleibt schön trocken. die 1.500m dauerschwimmen absolviere ich verscheucht von gezählten 44 simmeringer bierbauch-schwimmern im kurzen kinderbecken. schaffe erstmals 8 beinlängen an einem abend. katrin stoppt den nächsten 400m test im happyland: 6min17. juhu!

woche 5
ich ziehe mein erstes 3.000m training komplett durch. erstmals KA1 training mit soft paddles, die hängen aber runter wie nasse waschlappen. GA2 intervalle im hallenbad innsbruck, schultern voll ok, langsam fühle ich mich als schwimmer. der vorteil von thera-bändern: die kann man echt auf jede reise mitnehmen! ich stelle mein timing auf extremeres frontquadrant um. wenn ich mit der atmung fertig bin, solange der lead arm noch vorne ist, leidet die wasserlage nicht so stark, dafür entsteht hier eine kurze pause im vortrieb. hm...

woche 6
ich arbeite an meiner wende und der gleittechnik. langsam werde ich süchtig nach dem schwimmen. der pump in den muskeln nach harten intervallen, die strömung des wassers am ganzen körper, die geschwindigkeit, das ist schon sehr cool! beim frühschwimmen im berndlbad kündigt peter die entscheidenden zwei wochen an und ich stelle mich mental auf schlüsseltrainings ein. das sind einheiten, die dich komplett ummodeln, die den körper verändern. wo du abends schweißgebadet im bett liegst und merkst, wie sich etwas tut. am nächsten morgen stehst du als anderer mensch auf.

woche 7
ich stoppe jetzt jedes intervall mit und bemühe mich, die zeiten aus der hottenrott-tabelle auf die sekunde genau einzuhalten. gleichzeitig messe ich am ende der intervalle immer sofort meinen puls, um den trainingsbereich möglichst genau zu treffen. KA1 und KA2 intervalle mit harten paddles. da geht was weiter. am ende hänge ich am beckenrand wie ein boxer nach der elften runde. ich schaffe mein erstes 3.700m training, ein schwimmer trifft mich dabei mit seiner taucherflosse brutal im gesicht. nur keine anzeige. bitte. und keine kopfröntgen mehr! =O) erster beintest auf 100m in 3min10. enttäuschend. 80% der kraft kommt beim kraulen aus den armen, dennoch konzentriere ich mich ab sofort auch auf effiziente beintempi.

woche 8
im hallenbad tulln komme ich drauf, dass der winkel der füße extrem temporelevant ist und schwimme die 100m beine plötzlich in 2min37. schaffe mein erstes 4.000m training, erstmals 80 Dips beim Krafttraining und am wochenende wieder 400er tests in klosterneuburg. 6min01, kann es nicht glauben und schwimme noch mal, 6min03. gehe enttäuscht heim, nur um am nächsten tag wieder zu kommen. dann habe ich es endlich geschafft. spüre zwar die vorbelastung der harten trainingswoche und der zwei tests, aber mache 5min58 und bin glücklich!

die ganze woche zufrieden, reise nach zürich und komme verkühlt wieder heim, keine minute sport, kann schon gar nicht mehr schlafen. entschließe mich trotz katers nach dem business-ball ein paar 400m tests zu schwimmen und konzentriere mich diesmal besonders auf einen heftigen beinschlag, um die vortriebspause beim frontquadrant-schwimmen zu überbrücken. die uhr zeigt: 5min56, dann vollgas auf 5min48 und zur überprüfung noch mal 5min50.

ich möchte mich ganz herzlich bei allen leuten bedanken, die mich bei diesem schwimmblock unterstützt haben. ganz besonderen dank an peter, der mich souverän gerade durch die schweren zeiten geführt hat. ein guter coach macht eben mehr als nur perfekte trainingspläne schreiben!

euer swimming snick

4 Kommentare:

IronChris hat gesagt…

Hi Snick! Großartige Leistung. Du bist a Wahnsinn :=) Diese 400m Zeit ist genial. Herzliche Gratulation. Ich schätze, jetzt steht den sub 10h beim IM nichts mehr im Weg.
Aloha
IronChris

Pete hat gesagt…

Hut ab zur phantastischen Zeit!

Du hast so ziemlich alle Probleme, die einem Schwimmer im Laufe einer Schwimmerkarriere so passieren können, im Zeitraffer von wenigen Wochen durchlaufen und bravourös gemeistert.
Wie sagt man so schön bei großartigen Leistungen: "Ein Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration" sollen angeblich notwendig sein. Die 99 Prozent kann man in diversen Schwimmbecken im Süden oder im Norden von Wien aufgrund der Verdünnung wohl nicht mehr nachweisen...
Mir war es eine Ehre, zum einen Prozent ein bisschen beisteuern zu dürfen!

Ciao,
Pete

Andi hat gesagt…

Unglaublich, da hast du echt was geleistet. Gratuliere! Bleibst du weiter am Ball, oder betrachtest du das Knacken der 6 Minuten als abgehakt und wagst als nächstes Ziel den 3 Stunden Marathon oder den 10 Stunden Ironman?

Anonym hat gesagt…

hallo andi,

die 6 minuten waren schon schwer genug für mich. wasserratte bin ich immer noch keine und unter 5 minuten komme ich nie, deshalb ist das schwimmen für mich erstmal abgehakt. =O)

was mich noch reizen würde, wären die 59 minuten bei einer langdistanz, aber das ist wohl noch zukunftsmusik... =O)

lg
jo