...und natürlich auch die genialen TUC-Kekse!
Am Donnerstag, drei Tage vor dem
Ironman Regensburg, packte ich abends meine sieben Sachen und wollte mir schnell eine Playlist für meinen iPod Shuffle zusammenstellen. Da ich weder Muse noch Zeit für eine ausgfeilten Mix hatte, zimmerte ich mir schnell ein Rammstein Best-Of zusammen. Dieses sollte mich das ganze Wochenende über begleiten. Tags darauf ging das Abenteuer los.
„Mercedes Benz, und Autobahn
Alleine in das Ausland fahren
Reise, Reise, Fahrvergnügen
Ich will nur Spaß, mich nicht verlieben.“ (Pussy)
Den Benz tauschte ich gegen einen ICE ein, der Spaß sollte in 48 Stunden dem Ernst weichen und verliebt bin ich bereits seit 12,5 Jahren! Ich war in weniger als vier Stunden in Regensburg und spazierte zum
Hotel Karmeliten, das ich letzten Herbst für nur 49 Euro die Nacht buchte. Das günstige Zimmer ging mit einem geplanten Komfortverlust einher. Es diente in dem ehemaligen Kloster einem Mönch als Unterkunft. Originalgetreu fehlten Fernseher, Telefon, Dusche und auch WC. Eine Waschmuschel gab es aber. Zum Glück hatte ich zur Unterhaltung meinen iPod mit. Auf dem Weg zur Wettkampf-Registrierung war ich Feuer und Flamme für diese wundervolle Stadt:
„Rammstein - Ein Mensch brennt
Rammstein - Fleischgeruch liegt in der Luft“ (Rammstein)
Letzteres stellte sich als die „
Wurstkuchl“ heraus. In der historischen Bratwurststube ließ ich mich gleich zu Bratwürstel auf Sauerkraut und Weißbier nieder. Noch war es nicht zu Spät für solche Experimente in der Wettkampf-Vorbereitung. Nach der üblichen Prozedur von Registrierung, Rennbesprechung und Pastaparty - alles hervorragend organisiert - ging es zurück ins Hotel.
Tags darauf brachte ich mein Rad und die zwei Wechselsäcke zum 10 km entfernten Guggenberger-See („Guggi“), einem ehemaligen Baggersee. Auch dort alles toll organisiert. Ein Shuttlebus brachte die Athleten wieder zurück in die Stadt. Wie ich Mike versprochen hatte, schaute ich in den Regensburger Dom. Dort zündete ich zwei Kerzen an - für die Toten und die Lebenden. Eine dritte sollte für die Athleten sein. Da ich jedoch zuwenig Geld dabei hatte, zählte ich die Athleten zu den Lebenden. Gilt das?
Am Wettkampftag wartete ich nach vier Uhr Tagwache, Frühstück und Spaziergang zum Zielgelände im Regen auf den Shuttelbus zum Start. Dort angelangt kostete mich ein dringendes Bedürfnis mit dem zugehörigen Warten vor dem Dixi-Klo weitere Minuten. Hastig das Rad aufgepumpt, in den Neo gequetscht und kurz eingeschwommen ging es um sieben Uhr richtig los. Mittendrin statt nur dabei lautete heuer meine Devise.
„Auf den Wellen wird gefochten
Wo Fisch und Fleisch zur See geflochten
...
Ahoi
Reise, Reise
Seemann, reise!
Und die Wellen weinen leise
...
Jeder tuts auf seine Weise“ (Reise, Reise)
So schwamm ich im größten Getümmel, bekam den einen oder anderen Hieb ab, war dafür fast immer im Sog der Meute. Der kleine See mit recht trüben Wasser zwang zu einer Streckenführung mit sechs Richtungswechseln, was die Orientierung nicht gerade erleichterte. Dennoch war ich nach 1h09min aus dem Wasser, eine neue persönliche Bestzeit. Nach einem raschen Wechsel direkt beim Rad ohne Sackerlsuchen, diese Option gab es hier, ging es zur zweiten Disziplin.
Da mein übergeordnetes Ziel nach dem letztjährigen Fiasko das Durchlaufen war, musste ich mich in Anbetracht zu geringer Trainingsumfänge am Rad bewusst zurückhalten. Mein Motto war daher ständig:
„Wer wartet mit Besonnenheit
der wird belohnt zur rechten Zeit“ (Rammlied)
Zwei Runden zu je 84 km mit Vorbeifahrt an
Walhalla, zwei Donauquerungen und anschließendem Schlussstück nach Regensburg standen auf dem Programm. Die 700 hm pro Runde waren recht konzentriert zu Beginn und hielten rasante Abfahrten bereit. Bei einer fuhr mein "Roter Blitz" einen neuen Temporekord mit bestimmt 80 Sachen.
„Führe mich, halte mich
Ich fühle dich, ich verlass Dich nicht“ (Führe mich)
Tacho hatte ich keinen dabei. Überhaupt war mein Rad sehr puristisch ausgestattet: Flaschenhalter (kein Aero), Pannenspray für Schlauchreifen und Oberrohrtasche mit
TUC-Keksen. Jawohl Kekse! Die waren Teil meiner im ICE zusammengebastelten genialen, aber ungetesteten Verpflegungsstrategie. Bei den acht Rad-Verpflegstationen je einen halben Riegel mit Iso, dazwischen Kekse. Ich brauchte einfach auch Salziges, damit ich den ganzen süßen Kram runterbekam. So kam ich nach 6h04min Fahrt im Dauerregen mit schwachen Wind in die zweite Wechselzone.
Nach einem recht schnellen Wechsel - ein paar Profis waren langsamer! - ging es auf die vier Laufrunden. Die vielen Zuschauer in der wunderschönen Altstadt von Regensburg sorgten für eine tolle Stimmung.
„Ich will eure Blicke spüren
Ich will jeden Herzschlag kontrollieren
...
Ich will eure Stimmen hören
Ich will die Ruhe stören
...
Ich will eure Hände sehen
Ich will in Beifall untergehen“ (Ich will)
Eine große Schleife in einem Park bot dazu eine Abwechslung, wie auch die Bodenbeschaffenheit: Asphalt, Kopfsteinpflaster, Wiese, Schotter, mal rauf, mal runter, es war alles dabei. Pro Runde ging es zweimal über die Donau. Ernährungstechnisch nahm ich pro Runde 3 Gels zu mir.
„Ich habe keine Lust etwas zu kauen
Denn ich hab keine Lust es zu verdauen“ (Keine Lust)
Um mir dann doch nicht komplett den Magen zu verkleben, wechselte ich die Gels mit den angebotenen Salzkeksen ab. Dazu gab es Wasser, das ich immer im Laufen trank. Auf der letzten Runde aß ich nichts mehr und trank nur noch Cola. Zusammen mit der bewährten Taktik der anfänglichen Zurückhaltung konnte ich am zweiten Halbmarathon noch ein wenig zulegen. Dem Magen ging es, Keksen sei dank, sehr gut. Der Puls konnte noch oben gehalten werden, jedoch wurden die Beine mit der Zeit schwer.
„Geadelt ist wer Schmerzen kennt
Vom Feuer das in Lust verbrennt
...
Mein heißer Schrei
Feuer frei!“ (Feuer frei)
Mit einer Marathonzeit von 4h12min kam ich nach insgesamt 11h32min47s kaputt, aber überglücklich ins Ziel. Meinen Wunsch einer Sub12 Zeit konnte ich mir somit erfüllen. Gut, ich hatte schon weit bessere Zeiten, aber diesmal schaffte ich es, den vorhandenen Trainingszustand ohne nachträgliche „hätte ich doch“-Gedanken in eine akzeptable Zeit zu verwandeln. Dabei hatte ich immer Spaß an der Sache, auch Dank der perfekten Organisation und des tollen Publikums.
Da ich voll Endorphinen war, brauchte ich drei Weißbier um wenigstens ein paar Stunden schlafen zu können. So ein Ironman-Tag ist ganz schön irre.
„Der Wahnsinn
Ist nur eine schmale Brücke
Die Ufer sind Vernunft und Trieb“ (Du riechst so gut)
Wenn der Wettkampf die Brücke darstellt, sind dann Vernunft und Trieb der Start bzw. das Ziel? Oder umgekehrt? Wenn man von der Brücke fällt, wo ist man dann? Im Reich des Did-not-finish? So viele Fragen!
Bevor ich mir aber noch mehr Gedanken darüber mache und endgültig verrückt werde, lege ich mir eine neue Playlist an. Vielleicht Coldplay? - Brrrrr, niemals! Dann lieber Klapsmühle.